Frau Prof. Dr. Dr. Simone Kreth stellt den aktuellen Stand der Forschung aus Deutschland dar

In einem faszinierenden Interview gibt Prof. Dr. Dr. Simone Kreth – Ärztin, Anästhesistin, Biochemikerin und Professorin an der LMU München – einen tiefen Einblick in die aktuellen Erkenntnisse rund um die ketogene Ernährung. Sie verbindet medizinische Praxis mit neuester immunologischer Forschung und zeigt, wie Ketonkörper nicht nur zur Energiegewinnung, sondern auch zur Regulation des Immunsystems beitragen können. Ihre Ergebnisse liefern wertvolle Impulse für die Anwendung bei Autoimmunerkrankungen, chronischen Entzündungen und möglicherweise sogar in der Krebstherapie.

Der ERCM Medizin Podcast

Was ist eine ketogene Diät – und wie funktioniert sie im Körper?

Unsere Ernährungsgeschichte ist evolutionär geprägt von einem Wechsel zwischen Zeiten des Mangels und Zeiten des Überflusses. Der menschliche Körper ist darauf ausgelegt, in beiden Zuständen zu funktionieren. In Phasen des Mangels – etwa beim Fasten – greift er auf Fettreserven zurück. Dabei entsteht ein faszinierender Mechanismus: die Ketogenese.

Denn obwohl wir am Körper Fett gespeichert haben, kann unser Gehirn dieses Fett nicht direkt verwerten – es benötigt eine andere Energieform. Deshalb wandelt die Leber Fettsäuren in sogenannte Ketonkörper um. Diese Ketonkörper, vor allem Beta-Hydroxybutyrat, versorgen dann den gesamten Körper und besonders das Gehirn mit Energie – effizient und stabil.

Ein Ketonkörper ist im Grunde eine stark vereinfachte Fettsäure: chemisch betrachtet ein kleines, energiereiches Molekül, das vom Körper als „Notbrennstoff“ produziert wird, wenn kaum Kohlenhydrate zur Verfügung stehen – entweder weil man fastet oder sich ketogen ernährt.

Bei einer ketogenen Diät reduziert man die Kohlenhydrate drastisch – meist unter 20–30 Gramm pro Tag – und ersetzt sie durch Fette. Der Körper „denkt“ dann, es herrsche Nahrungsmangel, obwohl man isst, und beginnt, vermehrt Ketone zu bilden. So wechselt der Stoffwechsel vom Zuckerstoffwechsel (Glukose) in den Fettstoffwechsel mit Ketonkörpern – ein Zustand, der auch als „Ernährungs-Ketose“ bezeichnet wird.

Das Ergebnis: stabile Energie, besonders fürs Gehirn, weniger Heißhunger, und – bei vielen – eine deutliche Verbesserung von Stoffwechsel- und Immunfunktionen.

Wie Prof. Dr. Simone Kreth zur ketogenen Forschung kam

Die ketogene Diät ist keine neue Erfindung – sie wurde bereits in den 1920er-Jahren als Therapie für Kinder mit Epilepsie eingesetzt, lange bevor es Medikamente gab. Damals zeigte sich bereits: Ketonkörper können das Gehirn stabilisieren und haben unmittelbaren Einfluss auf neurologische Prozesse. Diese Erkenntnis faszinierte auch Prof. Dr. Simone Kreth – nicht nur als Ärztin und Biochemikerin, sondern vor allem als Forscherin.

Ihr wissenschaftliches Interesse wuchs, als sie erste Studien las, in denen Mäusen eine ketogene Ernährung verabreicht wurde. Das überraschende Ergebnis: Die Tiere zeigten weniger Entzündungen und ein stabileres Immunsystem. Zwar wusste man anfangs nicht genau, warum – doch der Effekt war eindeutig messbar. Das weckte Kreths Neugier.

Sie begann, an sich selbst zu experimentieren: mit Fasten, ketogener Ernährung und sogar mit dem Löffeln von Öl, um zu sehen, wie ihr Körper auf den Zustand der Ketose reagiert. Dabei erlebte sie selbst, wie der Körper zunächst einige Tage braucht, um sich umzustellen – doch wenn er beginnt, Ketone zu produzieren, stellt sich oft ein Gefühl von Klarheit und Energie ein. Dieser Zustand – als „Fasten-Stoffwechsel“ bekannt – ist der Schlüssel zur sogenannten Ketogenese: Der Körper nutzt nicht mehr Zucker (Glukose) als Hauptenergiequelle, sondern wandelt Fette in Ketonkörper um – ein Prozess, den man messen kann, z. B. im Blut oder in der Atemluft.

Doch für sie war das nur der Anfang. In ihrer Forschungsgruppe an der LMU begann sie, Beta-Hydroxybutyrat, den wichtigsten Ketonkörper, gezielt im Labor zu untersuchen. Statt ganze Menschen fasten zu lassen, setzte sie Immunzellen aus dem Blut in der Petrischale diesem Ketonkörper aus – und untersuchte, wie sie reagieren. Das Ergebnis: CD8-T-Zellen – zentrale Zellen der Immunabwehr – zeigten eine verbesserte Funktion und stärkere Zytotoxizität, allerdings nur unter Stimulation. Im Ruhezustand blieben die Zellen unverändert – ein wichtiges Zeichen für die Sicherheit der Methode.

In einem weiteren Schritt übertrug sie diese Erkenntnisse auf Menschen: In klinischen Studien ließ sie Probanden ketogen essen und maß regelmäßig die Ketonkörper im Blut. Dabei zeigte sich erneut: In Ruhe verändert sich das Immunsystem kaum – aber sobald eine „Challenge“ auftritt, reagiert es effizienter und ausgewogener. Besonders auffällig: Die sogenannte Low-Grade-Inflammation, also chronische, stille Entzündung, ging zurück.

Natürlich war dieser Weg nicht einfach. Sie musste Ethikkommissionen überzeugen, sich gegen Vorurteile durchsetzen („nur Fett essen, das ist doch gefährlich!“), und Schritt für Schritt zeigen, dass diese Form der Ernährung nicht nur sicher, sondern potenziell therapeutisch wirksam ist.

Mehr hier https://www.youtube.com/watch?v=couTWMfPnps


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert